Der vermaledeite Perfektionismus

Heute springe ich über meinen Schatten und sage dir, was mich die längste Zeit beschäftigt. Es kostet mich einige Überwindung, das zu tun, und ich hoffe, du kannst mich verstehen.

Ich hätte heute das 30. Kapitel des Blogromans veröffentlichen und euch erzählen sollen, wie es mit Tavoran, Kerys und Lyndia weitergeht. Aber ich konnte nicht. Ich stehe nach 29. Kapiteln hier und sage: Ich brauche eine Pause.

Es fällt mir nicht leicht, dies zu äußern, denn es fühlt sich nach Versagen an. Nach dem Nicht-Erfüllen von Versprechen, nach Enttäuschung, nach Hängenlassen. Und dies sind alles Dinge, die ich dir, meiner kleinen Leserschaft, nicht antun will. Aber ich kann im Moment einfach nicht anders.

Seit ein paar Monaten hangle ich mich mühsam von einem Kapitel zum anderen. Die anfängliche Motivation ist verflogen – was ich auch erwartet hatte, denn wer ist bei einem so großen Projekt von A bis Z schon topmotiviert; jedoch hätte ich nicht gedacht, dass mir das Schreiben der Geschichte von Tavoran in den letzten Monaten so schwerfällt. Und dabei ist es nicht einmal das Schreiben an sich – ich produziere in meinem Kämmerchen allerhand Texte, die allerdings lediglich in einer Schublade landen, weil ich sie als zu schlecht erachte, um von jemandem gelesen zu werden.

Vielmehr habe ich das Konzept des Blogromans in Zusammenhang mit meiner Arbeitsweise falsch eingeschätzt. Ursprünglich war geplant, den Blogroman in einer lesbaren Erstfassung zu veröffentlichen. Ich habe Kapitel vorgeschrieben, dachte, ich bin auf einem guten Weg. Doch je weiter die Geschichte fortschreitet, umso unglücklicher wurde ich damit. Ich musste Kapitel überarbeiten, umschreiben, anpassen, gar neu schreiben, weil sie mir kurz vor Veröffentlichung nicht mehr gefielen. Oder weil ich ein Detail übersehen habe – das wahrscheinlich den meisten nie aufgefallen wäre, ich aber nicht einfach so stehen lassen kann.

Fehlende Energie, fehlende Motivation

Meine anfängliche Energie ist verpufft. Nicht, weil mir die Geschichte keinen Spaß macht – im Gegenteil. Ich liebe die Welt von Neramor und natürlich Tavoran, und ich möchte dich an seiner Geschichte teilhaben lassen.

Meine Energie ist verpufft, weil mein vermaledeiter Perfektionismus so viel davon auffrisst. Seit Beginn des – mittlerweile wohl grandios gescheiterten Bierprojekts – habe ich allerhand gelernt; über das Schreiben, über innere Schweinehunde, über Motivation – vor allem aber über mich selber. Mein Perfektionismus war mir schon vorher ein ständiger Begleiter und erfolgreicher Verhinderer verschiedener Projekte, egal, ob das jetzt im Bereich des Schreibens, des Zeichnens oder anderweitiger kreativer Tätigkeiten war. Bisher glaubte ich allerdings, dass ich damit gut umzugehen wusste.

Im Laufe des Blogromans habe ich denn auch kleine Schritte aus der Perfektionismus-Diktatur gemacht, meine Ansprüche an mich und vor allem den wöchentlichen Text herunterschrauben können. Aber ich musste mich dazu überwinden, musste mir während des Schreibens jedes einzelnen Kapitels einreden, dass „gut“ für dieses Mal jetzt wirklich gut genug ist und nicht perfekt sein muss.

Das ging dann auch ein paar Wochen gut.

Das bin nicht ich

Nun bin ich aber an einem Punkt angekommen, an dem ich nicht mehr hinter dem Text stehen kann, den ich produziere und jede Woche veröffentliche. Für dich mag es kaum einen Unterschied gegeben haben, vielleicht aber doch – für mich jedoch hat die Qualität der Kapitel kontinuierlich abgenommen. Und ich rede nicht nur vom Stil und der Rechtschreibung, sondern auch vom Inhalt, vom Gefühl und der Leidenschaft, die drin steckt. Das bin nicht mehr ich, die da schreibt.

Die Geschichte um Tavoran und den Seelensammler ist ein Herzensprojekt. Und wie es mit diesen Dingen ist, will man dafür nur das Beste. Darum habe ich mich entschieden, mit der Veröffentlichung von weiteren Kapiteln erst einmal zu pausieren.

Ich werde erst in Ruhe, ohne den ständigen Hintergedanken, einen Text in „veröffentlichungswürdiger Verfassung“ produzieren zu müssen, die restlichen Kapitel überarbeiten, um- und wenn nötig neu schreiben, um sie zusammenhängend in eine runde Form zu bringen, mit der ich zufrieden bin. In der Hoffnung, dass ich die Unbeschwertheit während des Schreibens wieder erleben und mich von ihr tragen lassen kann. Und dass du dem Text dann auch anmerkst, dass wieder mehr Freude dahintersteckt.

Wie weiter?

Nun wird es also hier vorerst eine Pause geben.

Ich werde dich hin und wieder per Newsletter über den Stand der Dinge informieren, aber ich kann noch nicht sagen, wie lange ich für den Rest des Seelensammlers brauche. Denn etwas, das ich in der Blogroman-/Bierprojekt-Zeit über mich gelernt habe ist, dass ich für alles einiges länger brauche, als ich anfänglich geglaubt habe. Viel, viel länger.

Aber, das haben mich die Erfahrungen in den letzten Monaten gelernt, der Perfektionismus ist nicht ganz schlecht. Zur richtigen Zeit im richtigen Mass bringt er mich weiter, spornt mich an, macht mich ehrgeizig. Durch ihn kann ich mich verbessern und die Texte schreiben, die ich dann am Ende meistens mag. Meistens, weil es eben immer wieder Dinge gibt, mit denen ich nicht zufrieden bin, die aber „gut“ genug wären.

Ich hoffe, ich kann mit dieser Maßnahme die Freude am Schreiben, am „sorgenfreien“ Schreiben, wiederfinden und Tavoran und dem Seelensammler die Geschichte geben, welche die beiden auch verdienen.

Wir werden sehen.

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